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Mit neuen Lösungen gegen alte Lasten

Bei der Sanierung der Stahlbetondecke im Eingangsbereich des Kanaltunnels sind gleich mehrere Herausforderungen – die bei laufendem Betrieb nur schwer zu erkennen waren - zu beachten. Die Bauleitung reagiert mit aufwendigen, innovativen Lösungen. Die bringen den Bau für viele Jahre auf einen zeitgemäßen Stand, ohne gravierende zusätzliche Verzögerungen nach sich zu ziehen.

Bei der Einfahrt in den geschlossenen Teil des Tunnels bzw. bei der Ausfahrt aus diesem Bereich überfahren die Fahrzeuge einen Gitterrost. Ein kleiner, aber wichtiger Abschnitt, auch wenn die Rendsburger und ihre Gäste ihn bislang vermutlich nur selten beachtet haben. Umso mehr steht er in nun im Fokus der Sanierungsarbeiten. 

Über diesen Rost wird Oberflächenwasser abgefangen und über Sandfänge in Sammelbecken geleitet. Diese Sandfänge und die Sammelbecken liegen unter den Fahrbahnen, abgedeckt von einer 40 cm Stahlbetonplatte, darauf eine Abdichtung und schließlich der Fahrbahnbelag.

Schäden an der Bewehrung

Die Stahlbetonplatten über den Sammelbecken sind quasi frei tragende, 7,5 Meter lange Brücken. Damit ist auch ihre Sanierung ein unmittelbarer Sicherheitsaspekt. Bei den Untersuchungen dieses Abschnitts, so eingehend vorher nicht möglich, zeigten sich nun Schäden an der Stahlbewehrung der Plattenoberseiten. Mit großem Aufwand, doch möglichst kleinen Einschnitten werden diese Platten jetzt instandgesetzt. Zusätzlich erschwert wurde diese Aufgabe durch Bauvorschriften, die während der Projektplanung verschärft worden sind und damit neue Planungen und noch umfangreichere Arbeiten nach sich zogen. 

Zunächst wird, nach Freilegung der Deckplatten, der Beton rund 8 Zentimeter tief im Hochdruckstrahlverfahren abgetragen. Damit liegen die alten, beschädigten Stahlbewehrungen frei und können ersetzt und wie ihre Vorgänger in den Tunnelaußenwänden verankert werden – 25 Zentimeter tief und das alle 10 Zentimeter. Auf diese neue Bewehrung wird Beton aufgebracht, darauf eine Abdichtschicht und abschließend Asphalt. Das liest sich vielleicht unkompliziert – gestaltet sich praktisch aber ungleich schwerer. Denn die Sanierung ergibt für die Tragfähigkeit der Betondecke ein Problem, dass vorher nicht bestanden hat – und mit zusätzlichen Maßnahmen ausgeräumt werden muss.

Veränderte Vorschriften während der Bauzeit 

Der stehen gebliebene Beton der Decken und das neu aufgebrachte Material verbinden sich nicht lückenlos: Zwischen den beiden Schichten bleibt eine horizontale Fuge quer durch das Bauteil bestehen. Die zwei Schichten verformen sich unter Belastung aber stärker als es eine einheitliche Schicht tun würde; sie könnten sich bei Lastspitzen verschieben. Die geforderte Tragfähigkeit würde so unter Umständen nicht erreicht werden. Also müssen alte Betonrestschicht und neue Deckenlage trotz der Fuge fest verbunden werden. Bislang war dazu auch ein gewisser Anhafteffekt eingeplant worden: Alte und neue Betonschichten sind zu einem gewissen Grad uneben und krallen sich dadurch bei Belastungen ineinander. Nach einer Änderung entsprechender Vorschriften darf dieser Effekt nicht mehr in befahrenen Bauten angesetzt werden. Stattdessen werden Stahlplatten in die alte Schicht gebohrt mit Schrauben so lang, dass sie durch den neuen Beton reichen. Wenn der ausgehärtet ist, werden die Schrauben angezogen und die beiden Betonschichten so fest aneinander gepresst, dass sie schließlich dasselbe Verformungsverhalten zeigen und genauso tragfähig sind wie eine einzige Schicht.

2.500 und mehr kreative Lösungen

Die notwendigen 2.500 Schrauben – überlang, auf hohe Zugspannungen ausgelegt, kathodisch und mit Beschichtungen vor Verwitterung zu schützen – gibt es nicht im Baumarkt zu kaufen. Sie müssen für dieses Projekt entwickelt, getestet, genehmigt und gefertigt werden. Einmal eingesetzt, werden sie aber viel dazu beitragen, den Tunnel über die nächsten Jahrzehnte sicher und zuverlässig zu betreiben.